Laufberichte O-Z Taunusstein

Genossen.

In der Rhein-Main-Region gibt es so viele schöne Volksläufe, dass eine Hierarchie der allerschönsten der schönen ganz unsinnig erscheint. Das gilt für Superlative ja meistens. Und doch glaube ich mal wieder, den schönsten von allen zu kennen.

Das Unsinnige reizt und zwackt und piesakt mich aber oft so hartnäckig, bis ich mich doch mit ihm beschäftige und so ist es auch heute wieder. Ich komme ins Ziel und denke: Und der Taunussteiner Waldlauf ist DOCH der schönste aller Volksläufe weit und breit. Vielleicht sind es die Hormone, das ist möglich, aber ich denke es immer im Taunussteiner Ziel.

Dabei hab ich es schon sehr lange nicht mehr gedacht – 2008 war ich hier zum letzten Mal. Man fährt doch den ein oder anderen Autobahnkilometer von Frankfurt aus hierher, hinzu kommen die Kilometer durch vergrätzt dreinschauende Ortschaften, die es ganz und gar nicht mögen, wenn man durch sie hindurchfährt, was man ja verstehen kann. Wäre ich eine Ortschaft, ich wollte das auch nicht. Aber sonst kommt man ja nicht nach Taunusstein Hahn, zur Gesamtschule, dorthin, wo es Grillwürstchen gibt und Kuchen und vor allem Medaillen. Es ist ganz und gar nicht mehr en vogue, dass es für jeden Teilnehmer eine Medaille gibt. Es passen einfach zu wenig Sponsoren drauf und überhaupt – Medaillen! Altmodisches, hässliches Zeug, das nur noch von Pokalen getoppt wird, diesen kleinen nutz- und geschmacklosen Urnen, bei denen der Deckel immer runter fällt. Ich aber liebe Medaillen. Und Pokale sowieso. Sie lindern mein frühkindliches Trauma, nie eine Ehrenurkunde bei den Bundesjugendspielen bekommen zu haben. Aber das ist eine andere Geschichte.

Taunusstein Medaillen

In Taunusstein gibt es jedenfalls Medaillen und es ist ein vollkommen albernes Maskottchen drauf, ein Vogel Strauß, der immer ein bisschen aussieht wie zugekifft und hätten mehr Vereine solche Maskottchen und würden sie auf Medaillen drucken, die Welt wäre eine bessere. Der Weg zur Schule in Taunusstein ist eigens für den Lauf so auffällig ausgeschildert, als wären Navis noch lange nicht erfunden und bereits das ist etwas, für das man die Laufveranstalter lieben muss.

Taunusstein Wegmarke

Als ich mich nachmelde, niest mir jemand mit fast ballistisch anmutender Wucht von hinten auf den Meldezettel und geht schnell weiter. Gesundheit. Wünsche ich mir selbst und setze meine Anmeldung fort. Volksläufe gehören zu den wenigen Gelegenheiten, bei denen ich Menschenansammlungen und ihre fatalen Begleiterscheinungen noch ganz gut aushalten kann. Vielleicht weil Sport ohne Körper recht schwer vorstellbar ist und Körper machen nun mal komische Sachen. Einen Supermarktbesuch könnte ich mir hingegen ohne Körper sehr gut vorstellen, womit ich nicht allein bin, sonst wäre Onlinehandel nicht so erfolgreich. Ein virtueller Volkslauf wäre aber nicht dasselbe und so muss man Menschenkörper eben tolerieren, die unvermittelt zur Sprinkleranlage werden.

Auch sonst kann Volkslaufen eine ZEN-Übung sein, zum Beispiel beim Aufsuchen der Umkleide und Toiletten. Sind Sportstätten generell meist nicht in Rosenduft gehüllt und freundlich ausgestattet, wird man in schulischen Sportstätten das Gruseln gelehrt. Nicht nur, dass die Toiletten in der Regel den Standard meiner Schulzeit aufweisen (die erschütternd weit zurück liegt) sie sind auch offensichtlich seither nicht mehr saniert worden. Scheinbar ist irgendwo jemand, der Geld verwaltet, der Meinung, Kinder seien zu doof, um hygienische Katastrophen als solche zu erkennen und so bleibt alles, wie es ist. Heutige Kinder sind doch viel tapferer, als mancher denkt. Die Hingabe und Detailliebe der Veranstalter gleicht Defizite trotz allem aus.

Es gibt einen „Trouble Desk“, wiewohl es weit und breit keinen Trouble gibt, die Anmeldung fluppt und aus dem Lautsprecher tönen „Lady in black“ von Uriah Heep, „Whiter shade of pale“ von Procul Harum, und „Eloise“ von dem zu Recht vergessenen Barry Ryan. Das ist so großartig ungeeignet für den vermutlich nicht nur schönsten, sondern auch jüngsten Volkslauf der Region, dass ich ganz gerührt bin. Jetzt noch Bonnie Tyler und ich weiß: Hier ist die Welt noch in Ordnung. Die zahlreichen Kinder und jungen Menschen stört die Oldie-Wolke nicht im mindesten.

Wir laufen uns ein, wie sich das gehört und freuen uns. Das Wetter ist absolut perfekt und es ist fein, nach so langer Zeit wieder hier zu sein. Sich eine Pace vorzunehmen, ist recht schwierig, da es hier so einiges an Steigungen gibt und ich meinen aktuellen, schwächlichen Leistungsstand nicht so ganz einschätzen kann. Man läuft halt mal los.

Taunusstein Korn

Das, was den Taunussteiner Waldlauf so ungeheuer schön macht, ist seine pure Strecke und die Weite, die sich dabei immer wieder bietet. Durch Felder zu laufen kann recht zehrend und öde sein, aber hier kommt zur rechten Zeit eine Kurve, ein Waldstück, eine Kehre und immer wieder ein wunderbarer Blick. Als Städter kann man hier das Unverbaute genießen, das weit Gucken über Korn und eine bunte Perlenkette aufgereihter Läufer, die schon längst woanders sind als man selbst. Gleichzeitig halten einen in den ersten neun Kilometern sanfte, aber stetige Steigungen auf Trab. Langweilig wird das nicht.

Danach darf man beinahe drei Kilometer nach unten donnern, eine Strecke, bei der man besser die Zügel etwas anzieht. Denn erstens können drei Kilometer im Vollgas verdammt lang sein und zweitens kommt danach noch einmal eine langgezogene und durchaus giftige Steigung, für die man letzte Körner braucht. Wer die nicht mehr hat, ist total verratzt. Nach 15 Kilometern ist man bei der Medaille mit dem Vogel Strauß drauf. Es ist heute mein achtes Mal Taunusstein und ich weiß das. Am letzten Hügel hat es mich schon manches mal bös erwischt.

Bei Kilometer zehn steht jemand, der einem die Zeit zuruft, auch das ein zauberhafter Extra-Service. Ich liege unter 60 Minuten auf dem hügeligen Weg, das ist super. Der schnelle Weg nach unten fällt mir leicht, zumal es vor mir auf einmal menschelt und ich mich jemandem nähere, dessen Geruch mich daran erinnert, wie es war, als ich neulich bei 30 Grad mit dem Fahrrad hinter dem Fahrzeug mit dem Biomüll herfahren musste. Vielleicht ist ein virtueller Volkslauf doch eine gute Idee. Aber es geht zum Glück rasch vorbei, weil ich rasch vorbei bin und nun muss ich nur noch alle Kraft zusammenraffen und den letzten Berg überstehen. Und das gelingt auch. Ich mache ein paar komische Geräusche dabei, aber warum soll mein Körper nicht auch zeigen, dass er ackert? Im Ziel niest mir tatsächlich jemand direkt herzhaft auf meinen Getränkebecher und so bekommt der Lauf praktisch zwei Buchstützen, ein Alpha und Omega – die Einfassung eines Diamanten. Prosit, wohl bekomm’s.

Taunusstein Kuchen

Hernach sitzen wir in der Sonne wie zwei Lurche auf einem Stein, regungslos und hingegeben. Ich habe mir einen Kuchen ausgesucht, den man im Grunde nicht mehr kauen muss, jede geröstete Mandel, jeder knackige Streusel bedeutete mir jetzt zu viel Energieaufwand. Von der Seite moderiert jemand an uns hin, eine Tombola ersetzt uns Bonnie Tyler würdig. So muss er sein, der schönste Volkslauf der Region.

Nachtrag: Ich bin die Strecke auch schon mal 10 Minuten schneller gelaufen. Andererseits ist meine Zeit fast exakt die von vor vierzehn Jahren. Und das ist alles in allem doch so übel nicht. Mehr zu Lauf und Veranstalter gibt’s hier: http://www.lauftreff-neuhof.de

Über die Autorin

frauschmitt

3 Kommentare

  • Ich finde es auch irgendwie witzig und man fragt sich wie oder wer kommt nur auf den Vogel Strauß für einen Lauf, er ist schnell, klar, aber halt ein Tier, nicht mal von hier. Ein Grinsen und so sind sie die Volksläufe abseits der Premiumläufe. Aber wie Du schon richtig schreibst, ländlich, dörflich, allgemein gemütlich rustikal, dennoch schön zu laufen und dabei zu sein. Manchmal auch gerne öfter als bei den Massen-Premium-Samba-Trommelwirbel-Stadtläufen mit Medaillen aus Messing und nicht aus Blech!

  • Hallo Frau Schmitt,

    herzlichen Dank für Ihren, aus meiner Sicht, schönen Artikel über unseren Taunussteiner Waldlauf. Es wäre schön wenn noch weitere Läuferinnen und Läufer unseren Lauf auch als schönsten Lauf der Region sehen würden.

    Zu dem Thema “ Vogel Strauss “ möchte ich anmerken, dass es sich hierbei um unser Maskottchen, NEMU = Neuhofer Emu, handelt. Außerdem sind sowohl der Vogel Strauss wie auch der Emu Laufvögel. Auf der Medaille läuft unser Nemu über die Baumspitzen des Waldes unserer Laufstrecke.

    Hieran können Sie sehen mit welcher Liebe zum Detail unser Lauftreff den Lauf vorbereitet und durchführt.

    Mit der gleichen Liebe und dem gleichen Engagement werden wir dies auch in Zukunft tun und hoffen dann wieder den, für Sie, schönsten Volkslauf der Region auszurichten.

    Mit sportlichen Grüßen aus Taunusstein

  • Hallo Frau Schmitt, lustiger und schöner Laufbericht, DANKE! Hab sehr gelacht über die zwei unfreiwilligen Duschen und deine Toleranz … und jedesmal bekomme ich einen Wahnsinnsappetit auf den Kuchen am Ende, nur ist FaM bzw der Taunus soooweit weg von Berlin … die hübsche Bonny Tyler-Mucke bekommt man allerdings auch hier in Berlin-Brandenburg oder MeckPom über die Ohren gestülpt, da gibt es bestimmt so eine Art Motivationskassette oder CD, die alle Laufveranstalter kostenlos von ihrem Chipvermieter bekommen … oder?!? Auch mit the final of countdown ….
    Die Strauss-Medaillen sind natürlich unschlagbar hübsch! Der Darssmarathon-Veranstalter lässt sogar jedes Jahr welche töpfern, wegen des Gewichtes für kleinere Läufer nicht so gut geeignet, aber auch sehr sehr gelungen, also es gibt sie noch, die traditionellen Medaillen-Läufe … liebe Grüße aus dem weit entfernten Berlin von claudia

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